Narkolepsie

Dr. med. Ulrike Thieme, Medizinische Leiterin bei ZAVA , Foto rund

Medizinisch geprüft von

Dr. med. Ulrike Thieme

Letzte Änderung: 12 Apr 2021

Wer die Narkolepsie überhaupt kennt, der tut das wahrscheinlich aus Film oder Fernsehen: In Komödien wird oft das Bild eines Patienten transportiert, der immer wieder und in den unmöglichsten Situationen einnickt. Im realen Leben verhält sich eine Narkolepsie zwar tatsächlich ähnlich – für die Betroffenen ist das allerdings weniger lustig. Das alltägliche Leben kann massiv eingeschränkt sein. Was müssen Erkrankte und ihre Angehörigen wissen?

Inhalt
Narkolepsie: Frau mit hellblauer Bluse ist am Arbeitsplatz eingeschlafen.
 

Kurzübersicht

Definition & Häufigkeit: Bei der Narkolepsie handelt es sich um eine seltene Erkrankung des Nervensystems. In Deutschland sind knapp 40.000 Menschen betroffen.

Symptome: Zu den zentralen Symptomen bei Narkolepsie zählen ausgeprägte Tagesmüdigkeit, plötzliches ungewolltes Einschlafen und im Zusammenhang mit Emotionen (zum Beispiel Freude, Belustigung oder Wut) sogenannte Kataplexien, bei denen Muskeln erschlaffen.

Ursachen: In den meisten Fällen scheint eine Kombination aus bestimmten Genen, Umwelteinflüssen und Erregern oder Impfstoffen für Narkolepsie verantwortlich zu sein. Selten ist der Auslöser unbekannt oder durch eine Schädigung von Strukturen im Gehirn bedingt.

Behandlung: Bislang ist es noch nicht möglich, die Narkolepsie zu heilen. Durch verschiedene Medikamente und Verhaltensweisen lässt sie sich in der Regel aber gut kontrollieren.

Über die Narkolepsie

Die Narkolepsie zählt zu den Hypersomnien, also den Schlafsüchten. Unter diesem Oberbegriff werden verschiedene Krankheitsbilder zusammengefasst, die mit einer stark ausgeprägten Müdigkeit am Tag einhergehen. Umgangssprachlich nennen viele Menschen die Narkolepsie auch Schlafkrankheit.

Aktuell sind knapp 40.000 Deutsche betroffen; die Narkolepsie tritt also vergleichsweise selten auf. Die ersten Symptome entwickeln sich meist zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr. Bis zur Diagnose vergeht dann allerdings viel Zeit – durchschnittlich sogar mehr als 10 Jahre. Nach aktuellem Stand der Forschung kann Narkolepsie nicht geheilt werden. Mit den richtigen Medikamenten und Tipps zur Gestaltung der Lebensweise können Betroffene aber gut mit der Erkrankung umgehen.

Verschiedene Formen

Eine Narkolepsie kann in verschiedenen Formen auftreten:

Primäre Narkolepsie, bei der die Narkolepsie an sich die Erkrankung darstellt; sie untergliedert sich in:

  • primäre Narkolepsie vom Typ 1: typisch sind ein Hypocretin-Mangel (Hormon zur Regulation des Schlafs und Essverhaltens) und Muskelerschlaffungen, häufigste Form
  • primäre Narkolepsie vom Typ 2: entwickelt sich unabhängig vom Hypocretin, Muskelerschlaffungen treten nicht auf, Ursache bisher unklar

Sekundäre Narkolepsie, die sich aus einer Schädigung des Hypothalamus im Gehirn ergibt (zum Beispiel durch einen Tumor, ein Trauma oder eine Erkrankung, die das Gehirn angreift)

Typisch für die Narkolepsie ist ein plötzlicher Beginn. In etwa nur einem Drittel der Fälle entwickelt sie sich schleichend.

Verwechslungsgefahr kann mit Erkrankungen wie Epilepsie oder dem sogenannten Kleine-Levin-Syndrom (auch: Dornröschen-Syndrom) bestehen. Letztere, schubförmige Erkrankung tritt in erster Linie bei Jungen auf und ist ebenfalls von erhöhter Tagesmüdigkeit gekennzeichnet. Anders als bei der Narkolepsie nicken Betroffene hier nicht nur gelegentlich ein, sondern verbringen meist einen Großteil des Tages schlafend. In den wenigen Stunden, in denen sie während eines Schubs wach sind, wirken sie häufig apathisch und desorientiert.

Typische Symptome bei Narkolepsie

Entwickelt sich eine Narkolepsie, kann sie sich durch einige charakteristische Symptome bemerkbar machen. Diese Beschwerden treten täglich auf und nehmen im weiteren Krankheitsverlauf meist zu:

  • ausgeprägte, chronische Müdigkeit am Tag: Über mindestens 3 Monate hinweg sind Betroffene tagsüber massiv erschöpft.
  • plötzliches, ungewolltes Einschlafen: Es kommt zu regelrechten Schlafattacken. In Momenten, in denen die Erkrankten körperlich oder mental nicht aktiv gefordert sind, schlafen sie immer wieder ein – unvermittelt und ohne es zu wollen. Das Einschlafen lässt sich nicht unterdrücken, auch wenn sie sich nachts eigentlich ausreichend erholt haben. Wenige Minuten oder bis zu 1 Stunde später wachen Narkoleptiker, dann meist erholt, wieder auf.
  • Kataplexien im Zusammenhang mit Emotionen: Kataplexie ist der medizinische Fachbegriff für das unwillkürliche Erschlaffen von Muskeln. Verspüren Betroffene beispielsweise Freude, Überraschung, Wut oder Angst, kann es passieren, dass die Spannung bestimmter Muskeln bei vollem Bewusstsein und bis zu 2 Minuten lang aussetzt. Je nachdem, welche Bereiche genau erschlaffen, äußert sich das unter anderem in Stürzen, undeutlicher Sprache, eingeschränkter Beweglichkeit des Kopfes oder auch dem Fallenlassen von Gegenständen.
  • Halluzinationen beim Einschlafen oder Aufwachen: In diesem Fall hört, sieht und/oder spürt der Narkoleptiker Dinge, die nicht real vorhanden sind. Die Sinnestäuschungen treten im Übergang zwischen Wach- und Schlafzustand auf.

Darüber hinaus leiden Erkrankte in vielen Fällen auch unter Schlafstörungen. Meist haben sie Schwierigkeiten damit, nachts durchzuschlafen – was letztlich wiederum die bestehende Tagesmüdigkeit verstärken kann. Manche Patienten berichten zudem von Schlaflähmungen, bei denen sie sich beim Einschlafen oder Aufwachen kurzzeitig nicht bewegen können, obwohl sie bei Bewusstsein sind.

Als Folgen der Narkolepsie können sich Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und verminderte Leistungsfähigkeit, aber beispielsweise auch Gewichtszunahme zeigen.

Wichtig

Die seelischen Belastungen, die sich bei Narkolepsie ergeben, sollten Sie nicht vernachlässigen. Neben Depressionen, die im Zusammenhang damit auftreten können, sehen sich Betroffene auch in Schule und Beruf mit vielen Herausforderungen konfrontiert: Lehrer, Kollegen oder Chefs, die über die Erkrankung nicht Bescheid wissen, halten Narkoleptiker schnell für faul oder unmotiviert – nicht immer können Betroffene ihr volles Potenzial ausschöpfen. Hier ist vor allem eine offene Kommunikation wichtig.

Ursachen: Warum Narkolepsie entsteht

Die Entwicklung von Narkolepsie hängt bei einem Großteil der Fälle mit der Produktion von Hypocretin (auch: Orexin) im Gehirn zusammen. Dieses Hormon entsteht eigentlich im Hypothalamus und beeinflusst neben Schlaf- und Wachzeiten auch das Essverhalten. Liegt eine Narkolepsie vor, gehen immer mehr Zellen verloren, die für die Hypocretin-Bildung verantwortlich sind. Woran liegt das?

Laut aktuellem Kenntnisstand ist für die Entstehung einer Narkolepsie eine Kombination aus 3 Faktoren wahrscheinlich:

  • Gene, die die Erkrankung begünstigen
  • Umwelteinflüsse
  • eine Ansteckung, beispielsweise mit Influenzaviren oder Streptokokken, oder eine bestimmte Impfung (insbesondere bekannt bei der Impfung gegen Schweinegrippe)

Im Zusammenspiel miteinander können diese Auslöser einen Prozess in Gang setzen, bei dem sich allem Anschein nach das Immunsystem gegen Hypocretin und andere Stoffe in seinem Herstellungsprozess richtet. Unter Umständen führt das zu Entzündungen der produzierenden Nervenzellen und deren Zerstörung.

Nimmt in der Folge die Konzentration von Hypocretin ab, gerät die Regulation der Schlaf- und Wachphasen sowie des REM-Schlafs durcheinander. Hier kann es passieren, dass es auch tagsüber beim Einnicken direkt zu REM-Schlafphasen kommt. In der Nacht ist der normale Ablauf der Schlafphasen ebenfalls gestört.

Was ist REM-Schlaf?

Mit dem sogenannten REM-Schlaf ist eine ganz bestimmte Schlafphase gemeint. Ihre Bezeichnung ist auf die typischen Augenbewegungen in dieser Zeit zurückzuführen, die rapid eye movements (schnelle Augenbewegungen). Während der REM-Phasen erschlaffen alle willkürlich gesteuerten Muskeln und es kommt häufig zu intensiven Träumen.

Narkolepsie durch eine Impfung?

Eltern befürchten manchmal, dass sie ihre Kinder durch eine Impfung der Gefahr von Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen aussetzen. Immer wieder heißt es beispielsweise, dass bestimmte Impfstoffe Narkolepsie verursachen könnten. Verstärkt werden diese Ängste, wenn – wie in Zeiten von Epidemien oder Pandemien – vergleichsweise neue Impfungen entwickelt und verabreicht werden.

Völlig unbegründet sind diese Sorgen zwar nicht, sie müssen aber unbedingt richtig eingeordnet werden. So ist für die Entstehung einer Narkolepsie in der Mehrzahl der Fälle eine Kombination verschiedener Faktoren erforderlich. Dass eine Impfung allein die Schlafkrankheit verursacht, bleibt daher unwahrscheinlich.

Ebenfalls wichtig: Wenn im Zuge einer Impfwelle bestimmte Erkrankungen auftreten, erlangen sie meist erhöhte Aufmerksamkeit. Nicht immer bedeutet das aber gleichzeitig auch, dass sie tatsächlich durch die Impfung (vermehrt) entstehen. Klar ist nur, dass ihr Auftreten in zeitlicher Nähe zur Impfung genau geprüft und untersucht wird – um die Sicherheit des Impfstoffs zu gewährleisten und möglicherweise bedenkliche Substanzen zeitnah aus dem Verkehr zu ziehen.

In den allermeisten Fällen ist das Krankheitsrisiko durch eine Impfung deutlich geringer als die Gefahr durch die Erkrankung, gegen die geimpft wird. Sollte das Risiko durch einen Impfstoff größer sein als sein Nutzen, wird er nicht zugelassen.

Die Diagnostik bei Narkolepsie

Beschwerden, die auf eine Narkolepsie hindeuten, sollten immer beim Arzt abgeklärt werden. Zu Beginn der Diagnostik steht dann ein ausführliches Gespräch an. Erhärtet sich dabei auch beim Mediziner der Verdacht auf Narkolepsie, kann er bestimmte Fragebögen mit Ihnen durchgehen. Dort werden gezielt Symptome und Situationen abgefragt, die bei Narkolepsie auftreten können.

Besonders hilfreich kann es für den Arzt sein, wenn es dem Betroffenen selbst oder einem Angehörigen gelingt, ein Video vom Auftreten der Kataplexien mit dem Smartphone aufzunehmen. Die Erschlaffung von Muskeln im Zusammenspiel mit Gefühlen stellt meist den Beweis für eine Narkolepsie dar.

Darüber hinaus können weitere Untersuchungsmethoden beim Nachweis von Narkolepsie unterstützen:

  • Aktigraphie, bei der über ein kleines Gerät am Handgelenk die nächtliche Aktivität verfolgt und damit der Schlaf-Wach-Rhythmus bewertet wird
  • Schlaf-Wach-Protokolle, in denen Sie unter anderem eintragen, wann Sie einschlafen, wie lange Sie schlafen und wie fit Sie sich anschließend oder tagsüber fühlen
  • Untersuchung im Schlaflabor, bei der über Nacht verschiedenste Werte genau geprüft werden – von der Sauerstoffkonzentration im Blut bis hin zu Atmung und Hirnströmen
  • Nervenwasseruntersuchung im Hinblick auf den Hypocretin-Wert (Achtung: er kann auch in Verbindung mit anderen Krankheiten niedriger sein als gewöhnlich)
  • multipler Schlaflatenztest (MSLT), der ermittelt, wie schnell Sie einschlafen (ein Narkoleptiker schläft typischerweise in weniger als 8 Minuten ein und wechselt in vielen Fällen in weniger als 15 Minuten in den REM-Schlaf – beim Gesunden erfolgt der Übergang erst nach knapp 1 Stunde)
  • bildgebende Verfahren wie ein MRT

Behandlung von Narkolepsie

Bislang ist es noch nicht möglich, die Narkolepsie zu heilen. Daher erfolgt eine symptomatische Therapie. Ärzte setzen dabei in der Regel auf Medikamente wie:

  • Stimulanzien zur Bekämpfung der Tagesmüdigkeit
  • Arzneimittel zur Linderung von Kataplexien
  • Antidepressiva gegen Kataplexien, Schlafstörungen und Depressionen

Wegen möglicher Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte bei einigen Wirkstoffen wird der Arzt hier regelmäßige Kontrollen ansetzen. Gegebenenfalls kommt auch eine Verhaltenstherapie infrage: Dabei lernen Betroffene, ihr Leben mit Narkolepsie zu gestalten und mit Beschwerden oder Folgen besser zurechtzukommen.

In der Erforschung der Narkolepsie ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: Immer wieder gelingen Wissenschaftlern Durchbrüche, die nach und nach zur Entwicklung einer effektiven, ursächlichen Therapie beitragen könnten. Zum Beispiel besteht Hoffnung auf Prozesse, die das Absterben der hypocretinproduzierenden Zellen blockieren oder zumindest verlangsamen sollen. Das würde den Ausbruch von Narkolepsie zwar nicht verhindern, könnte aber beeinflussen, wie stark sie ausgeprägt ist und wie schnell sie fortschreitet.

Narkolepsie im Alltag

Im Alltag stellt die Narkolepsie immer wieder vor Herausforderungen. Es lohnt sich daher, sich Verhaltensweisen zurechtzulegen, durch die Sie die Erkrankung akzeptieren lernen und sich bestmöglich mit ihr arrangieren können. Dazu gehören zum Beispiel:

  • tagsüber eingeplante Schlafzeiten: Wer Schlafpausen fest in den Tag einplant und sich entsprechend zurückzieht, fühlt sich fitter und reduziert die Gefahr, unwillkürlich einzuschlafen.
  • feste Struktur: Viele Narkoleptiker profitieren von einem geregelten Tagesrhythmus, den sie auch am Wochenende und im Urlaub einhalten. Das gilt insbesondere, wenn zusätzlich Schlafstörungen auftreten.
  • regelmäßige, moderate Bewegung: Immer wieder sportlich aktiv zu sein, kann dabei helfen, aufkommende Müdigkeit in Schach zu halten.
  • Selbsthilfegruppen: Beim Austausch mit anderen Erkrankten können Sie einander wertvolle Tipps geben – oft tut es auch bereits gut zu wissen, dass man mit der Narkolepsie nicht allein ist.
  • Aufklärung von Schule oder Arbeitgeber: Gehen Sie offen mit Ihrer Erkrankung um und informieren Sie Ihr Umfeld. Andere können Ihr Verhalten dann besser einschätzen und Sie unterstützen.

Bei diesen Maßnahmen muss es nicht bleiben: Überlegen und testen Sie, was Ihnen außerdem im Alltag helfen könnte!

Häufig gestellte Fragen

Darf ich bei Narkolepsie Auto fahren?

Das kommt darauf an: Eine Fahrerlaubnis erhalten Sie nur, wenn die Narkolepsie passend behandelt wird und keine auffällige, messbare Tagesmüdigkeit besteht. Meist ist dafür ein Gutachten notwendig, für das Sie die Kosten selbst tragen müssen.

Wie äußert sich Narkolepsie?

Typisch sind eine ausgeprägte Tagesmüdigkeit mit unkontrollierbarem Einschlafen sowie Kataplexien, bei denen durch Emotionen die spontane Erschlaffung von Muskeln verursacht wird. Darüber hinaus kann es zu Halluzinationen beim Aufwachen oder Einschlafen sowie zu Schlafstörungen kommen. Auch psychische Folgen der Erkrankung sind möglich.

Ist Narkolepsie eine Behinderung?

Abhängig davon, wie sehr die Narkolepsie den Betroffenen im Alltag einschränkt, kann sie als Behinderung eingestuft werden. Bei starker Beeinträchtigung ist die Beurteilung als Behinderung oder sogar Schwerbehinderung möglich.

Welcher Arzt bei Narkolepsie?

Beim Verdacht auf Narkolepsie ist der Hausarzt ein guter erster Ansprechpartner. Er kann Sie an einen Neurologen und/oder Schlafmediziner weiter verweisen.

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Medizinisch geprüft von:
Dr. med. Ulrike Thieme Fachärztin für Neurologie, Medizinische Leiterin ZAVA Deutschland

Dr. med. Ulrike Thieme ist Medizinische Leiterin bei ZAVA Deutschland und seit 2018 Teil des Ärzteteams. Ihre Facharztweiterbildung im Bereich Neurologie schloss sie 2018 ab. Vor ihrer Tätigkeit bei ZAVA arbeitete Dr. med. Ulrike Thieme an einem klinischen Forschungsprojekt über neurodegenerative Erkrankungen am National Hospital for Neurology and Neurosurgery, London.

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Letzte Änderung: 12 Apr 2021

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