Angststörungen: Wenn die Angst überhand nimmt

Dr. Maike Michel

Medizinisch geprüft von

Dr. Maike Michel

Letzte Änderung: 26 Feb 2021

Angst vor Schlangen, Angst vorm Fliegen, Angst zu Versagen: Jeder von uns hat etwas, das ein gewisses Unwohlsein hervorruft. Das ist völlig normal und auch wichtig, denn die Angst schützt uns und unser Leben auch ein Stück weit. Doch manchmal nimmt die Angst überhand und entwickelt sich ohne triftigen Grund. Dann kann eine Angststörung die Ursache sein.

Angststörungen sind für Betroffene oft sehr quälend und schränken den Alltag stark ein. Trotzdem werden sie vom Umfeld oftmals nicht ernst genommen. Wir erläutern Ihnen, welche verschiedenen Angststörungen existieren, wie die Diagnose gestellt wird und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Inhalt
Frau sitzt auf der Couch mit dem Kopf auf den Knien und die Hände um die Beine geschlungen
 

Kurzübersicht

Definition & Häufigkeit: Als Angststörungen bezeichnet man eine Gruppe psychiatrischer Erkrankungen, bei denen ein Hauptsymptom Angst oder Panik ist. Je nach Art der Angststörung kann die Angst gegenüber bestimmten Objekten, Situationen oder auch unabhängig davon auftreten. Angststörungen sind weit verbreitet und betreffen ungefähr jeden 6. Menschen im Laufe des Lebens.

Ursachen: Angststörungen entstehen in der Regel durch ein komplexes Zusammenspiel aus genetischer Empfindlichkeit (Vulnerabilität), einem erhöhten Bedürfnis nach Kontrolle beziehungsweise Kontrollierbarkeit von entscheidenden Ereignissen und „gelernter” Angst gegenüber konkreten Objekten oder Situationen. Außerdem sind Einflüsse wie die frühkindliche Beziehung zu Bezugspersonen oder traumatische Erlebnisse an der Entstehung von Angsterkrankungen beteiligt.

Behandlung: In erster Linie werden Angsterkrankungen mittels kognitiver Verhaltenstherapie, also einer Form der Psychotherapie, behandelt. Je nach Angststörung können auch Medikamente, vor allem bestimmte Antidepressiva, oder psychodynamische Psychotherapien angewendet werden.

Über Angststörungen

Angst ist eine angeborene Schutzfunktion des Körpers und soll unter anderem dafür sorgen, dass Gefahrensituationen umgangen werden. Im Gegensatz zu dieser normalen Angst leiden Patienten mit einer Angststörung unter einer übersteigerten Angst oder empfinden ausgeprägte Angst und Panik in Situationen, die keine Bedrohung darstellen. Dies führt meistens dazu, dass Situationen, die so eine Angst oder Panik auslösen, zunehmend vermieden werden und so der Alltag teilweise stark eingeschränkt wird.

Die Diagnose von Angststörungen richtet sich nach genau festgelegten Kriterien der unterschiedlichen Angsterkrankungen. Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und betreffen ungefähr jeden 6. Menschen mindestens einmal im Leben, wobei Frauen ungefähr doppelt so häufig Angststörungen aufweisen wie Männer. In Deutschland erkranken jährlich rund 10 %, also etwa 8 Millionen Menschen, an einer Angsterkrankung. Unbehandelt verlaufen Angststörungen meist chronisch und nehmen mit der Zeit an Intensität zu.

Formen von Angststörungen und Symptome

Obwohl sich Angststörungen im Detail von Mensch zu Mensch unterscheiden können, lassen sich Angsterkrankungen bestimmten Unterformen zuordnen, die sich durch ihre verschiedenen Symptome voneinander abgrenzen.

Ursachen und Risikofaktoren

Angsterkrankungen haben in der Regel nicht einen konkreten Auslöser, sondern entstehen über eine längere Zeitspanne durch verschiedene Faktoren. Einige dieser Faktoren sind beeinflussbar, andere jedoch nur in sehr begrenztem Umfang oder gar nicht. Das Vorliegen von einem oder mehreren Risikofaktoren erhöht das Risiko für eine Angststörung, es bedeutet allerdings nicht, dass man mit Sicherheit erkrankt.

Wann sollte ich einen Arzt aufsuchen und wie wird die Diagnose gestellt?

Nicht jede Angst oder Panikattacke ist eine behandlungsbedürftige Angststörung. Da die Behandlung von Angststörungen jedoch schnellere Erfolge zeigt, wenn die Störung erst kurze Zeit besteht, ist es wichtig, Angsterkrankungen frühzeitig zu erkennen und eine Behandlung einzuleiten.

Wann sollte ich einen Arzt aufsuchen?

Es gibt keine festen Grenzen, wie häufig oder intensiv Angstzustände auftreten müssen, damit ein Arztbesuch erfolgen sollte. Grundsätzlich sollte aber eine ärztliche Abklärung erfolgen, wenn Sie in Ihrem Alltag durch die Ängste oder Panikattacken eingeschränkt sind. Mögliche Einschränkungen sind beispielsweise die Vermeidung bestimmter Orten oder die Aufgabe von Hobbys aufgrund der Ängste. Einen ersten Anhalt, ob Sie möglicherweise an einer Angststörung leiden, können Selbsttests wie der Online-Selbsttest der Schön-Klinik bieten. Solche Tests ersetzen aber keinesfalls standardisierte ärztliche Untersuchungen und Fragebögen.

Hausarzt oder Spezialist?

Wenn Sie den Verdacht haben, an einer Angststörung zu leiden, ist der erste Ansprechpartner der Hausarzt. Dieser kann eine erste Einschätzung vornehmen und Sie gegebenenfalls zu einem Psychologen oder Psychiater überweisen.

Prinzipiell kann auch das Gespräch in einer Online-Arztpraxis mit einem Psychologen oder einem Facharzt für Psychiatrie eine Alternative sein. Vor allem für Patienten in abgelegenen Landesteilen oder für solche Patienten, die durch ihre Erkrankung ihre Wohnung nur schwer verlassen können, können solche Online-Angebote Vorteile bieten. Im Allgemeinen sollte zumindest für das Erstgespräch beziehungsweise die Erstdiagnose einer Angststörung ein persönliches Treffen angestrebt werden. Im direkten Kontakt können professionelle Ansprechpartner viele Informationen sammeln, die die Diagnosestellung genauer machen.

Was wird mich der Arzt oder Therapeut fragen?

In einem ersten Gespräch wird Ihr Arzt Sie zu folgenden Themen befragen:

  • aktuelle Lebenssituation
  • angstauslösende Situationen
  • Häufigkeit der Angstzustände
  • begleitende Symptome
  • Alkohol- und/oder Drogenkonsum
  • bekannte Vorerkrankungen
  • regelmäßige Einnahme von Medikamenten

Ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung dürfen weder Familienangehörige noch Freunde befragt werden, allerdings kann es in vielen Fällen für den Arzt sehr hilfreich sein, die Eindrücke von Menschen zu erfahren, die Ihnen nahestehen. Spätestens im Rahmen eines Gesprächs beim Psychologen oder Psychiater wird dann auch ein sogenannter psychopathologischer Befund erhoben, bei dem weitere mögliche psychische Erkrankungen gezielt erfragt werden, zum Beispiel Symptome einer Depression oder Schizophrenie.

Welche körperlichen Untersuchungen werden durchgeführt?

Ängste und Panikzustände sind nicht grundsätzlich auf psychische Ursachen zurückzuführen. Körperliche Erkrankungen, etwa Schilddrüsenerkrankungen, Erkrankungen mit Auswirkungen auf den Hormonhaushalt oder Erkrankungen des Nervensystems oder Gehirns, können ebenfalls Ängste und Panikattacken verursachen. In solchen Fällen besteht die Behandlung der Angst in der Behandlung der zugrunde liegenden körperlichen Erkrankung.

Jeder Angstpatient sollte daher schon zu Beginn der Behandlung eine gewissenhaft durchgeführte körperliche Basisdiagnostik erhalten. Dazu gehören die Messung von Blutdruck und Puls, das Abtasten der Schilddrüse, die Testung Ihrer Reflexe mit einem Reflexhammer und ein Elektrokardiogramm (EKG). Zudem wird eine Blutentnahme durchgeführt, um Elektrolyte, Schilddrüsenwerte, Blutzusammensetzung und gegebenenfalls noch weitere Blutwerte zu bestimmen. In Fällen, bei denen sich der Verdacht ergibt, dass eine neurologische Störung im Gehirn vorliegen könnte, kann zudem die Anfertigung einer Computertomographie- (CT) oder Kernspintomographie-Aufnahme (MRT) des Kopfes notwendig sein.

Wie werden Angststörungen behandelt?

Angsterkrankungen können für Betroffene zwar sehr belastend sein, sind aber auch gut behandelbar. Obwohl eine vollständige Heilung nur selten gelingt, können die Symptome durch eine professionelle Behandlung in vielen Fällen deutlich gelindert werden, sodass die Patienten ihrem Alltag wieder uneingeschränkt nachgehen können.

Medikamentöse Behandlung, Psychotherapie und Selbsthilfe-Strategien können zum Einsatz kommen. Die Entscheidung, welche Behandlung bei Ihnen zunächst empfehlenswert und erfolgversprechend ist, treffen Sie zusammen mit Ihrem behandelnden Arzt oder Psychologen. Dabei sind vor allem Aspekte wie Art und Schwere der Angststörung sowie Ihre persönlichen Vorlieben maßgeblich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Angststörung ist am häufigsten?

Spezifische Phobien kommen am häufigsten vor. Bei mehr als jedem 10. Menschen liegt mindestens einmal im Leben eine spezifische Phobie vor. Weitere häufige Angststörungen sind die generalisierte Angststörung und die soziale Phobie. Panikstörungen und Agoraphobie sind etwas seltener, betreffen aber dennoch deutlich über 1 % aller Menschen und somit über 1 Million Personen in Deutschland.

Ist eine Angststörung heilbar?

In den meisten Fällen lässt sich eine Angststörung zwar nicht in dem Sinne vollständig heilen, dass die Betroffenen gar keine Ängste mehr verspüren. Allerdings können durch eine professionelle Behandlung die Symptome in vielen Fällen stark reduziert werden, sodass der Alltag dadurch nicht mehr oder zumindest deutlich weniger beeinträchtigt wird. Die Prognose hängt unter anderem von der Art der Angststörung, der Stärke der Symptome und einer frühzeitigen Behandlung ab.

maike-michel.png
Medizinisch geprüft von:
Dr. Maike Michel Medizinische Autorin

Maike Michel unterstützt das Ärzteteam von ZAVA bei der medizinischen Texterstellung und -prüfung. Sie studierte Medizin an den Universitäten in Münster und Freiburg. Seit 2016 arbeitet sie als Assistenzärztin in einer psychiatrischen Klinik in Deutschland und trägt seit Juli 2022 den Facharzttitel für Psychiatrie und Psychotherapie.

Lernen Sie unsere Ärzte kennen

Letzte Änderung: 26 Feb 2021

Alle Sprechstunden auf einen Blick
Zu den Behandlungen




gmc logo

Gütesiegel & Mitgliedschaften