Trockener Orgasmus: Höhepunkt ohne Ejakulation

Dr. Nadia Schendzielorz

Medizinisch geprüft von

Dr. Nadia Schendzielorz

Letzte Änderung: 24 Mär 2022

Der trockene Samenerguss ist ein Phänomen, bei dem es nicht oder nur teilweise zum Samenerguss kommt. Die Symptomatik lässt sich in 2 Typen unterscheiden: Die retrograde Ejakulation, bei der das Ejakulat in den hinteren Teil der Harnröhre gelangt, und die totale Anejakulation ganz ohne Samenerguss. An sich ist der trockene Samenerguss nicht gefährlich. Dennoch ist es notwendig, den Ursachen, die hinter der Ejakulationsstörung stecken, auf den Grund zu gehen. Erfahren Sie hier alles über den trockenen Samenerguss.

Inhalt
Trockener Orgasmus: Ein Mann und eine Frau liegen im Bett. Der Mann hält die Hände deer Frau über ihrem Kopf fest.
 

Was passiert bei einem trockenen Orgasmus?

Eine Ejakulation beim Mann wird durch sexuelle Stimulation hervorgerufen. In der Regel findet das bei Masturbation oder beim Geschlechtsverkehr statt. Das Sexualzentrum, das im Zwischenhirn liegt, sendet bei diesem Vorgang über die Nerven Impulse an das Ejakulationszentrum. Dieses befindet sich im Lendenteil des Rückenmarks. Beim Empfangen des Signals löst das Ejakulationszentrum dann rhythmische Kontraktionen in der Muskulatur des Samenleiters, der Prostata und der sogenannten Bläschendrüsen aus, die für die Bildung von Sekret verantwortlich sind.

Durch die Kontraktionen wird das Sekret – auch Seminalplasma genannt – mit den in den Samenzellen des Hodens gebildeten Spermien vermengt. Sperma ist daher immer ein Gemisch aus Sekret und Spermien, während „Ejakulat“ in der medizinischen Fachliteratur für Sekret mit wie auch ohne Spermien verwendet wird.

Beim Orgasmus folgen die sogenannte Emission und die Ejakulation: Das Sperma gelangt in den hinteren Teil der Harnröhre (Emissionsphase) und wird dann durch Kontraktion von Teilen der Beckenbodenmuskulatur pulsartig ausgestoßen (Ejakulationsphase). Zugleich zieht sich der innere Harnblasenschließmuskel zusammen, um zu verhindern, dass das Ejakulat in die Harnblase zurückfließt. Ein trockener Orgasmus – also ein Orgasmus ohne Ejakulation – tritt nun auf, wenn eine Störung während der Emissionsphase oder der Ejakulationsphase vorliegt.

Ist ein trockener Orgasmus gefährlich?

Ein Orgasmus ohne Samenerguss ist an sich nicht bedenklich. Denn entweder wird einfach nicht genügend Sperma produziert, was bei der sogenannten Anejakulation der Fall ist. Oder der Samenerguss gelangt in die Harnblase, weil eine Fehlfunktion des inneren Blasenschließmuskels vorliegt. Dies geschieht bei der retrograden Ejakulation, wobei die Samenflüssigkeit statt beim Sex später ganz einfach mit dem Urin ausgeschieden wird.

Wichtig: Allerdings sollten die Ursachen, die hinter dem Orgasmus ohne Ejakulat stecken, medizinisch abgeklärt werden – vor allem wenn das Phänomen häufiger auftritt.

Möglicherweise verbergen sich hinter der Symptomatik, insbesondere bei der Anejakulation, ernsthafte Erkrankungen, wie eine Entzündung der Samenleiter oder Gewebsveränderungen, dahinter.

Retrograde Ejakulation: Wieso kann Urin nach einem Orgasmus eine trübe Färbung haben?

Wenn der Urin nach einem Orgasmus trüb ist, kann das daran liegen, dass das Sperma bei der Ejakulation gar nicht oder nur zum Teil durch den Spritzkanal hinausbefördert wurde. Man spricht bei diesem Orgasmus ohne Abspritzen von einer retrograden Ejakulation. Genauer handelt es sich dabei um eine Schwäche oder Fehlfunktion des inneren Blasenschließmuskels, wodurch die Samenflüssigkeit rückwärts (retrograd) in die Blase gelangt. Beim nächsten Toilettengang werden Sekret und Spermien über den Urin ausgeschieden, was diesem eine trübe Färbung verleiht.

Die Ursachen für retrograde Ejakulation sind vielfältig. Darunter fallen:

  • Defekte des Blasenschließmuskels aufgrund von operativen Eingriffen in umliegendem Gewebe (z.B. Entfernung der Prostata durch die Harnröhre, medizinisch: transurethrale Prostataresektion)
  • Lymphknotenentfernung im Bauchfell- oder Beckenbereich (z.B. im Falle eines Hodentumors oder anderen Operationen im Beckenbereich)
  • Erkrankungen der Nerven (z.B. Multiple Sklerose)
  • Nervenschädigungen durch Diabetes oder Bandscheibenvorfälle
  • Selten: Einnahme von Medikamenten (z.B. Antipsychotika, Alpha-Blocker)

Operative Eingriffe können die Verbindung von Muskeln, wie dem Schließmuskel der Blase, zum zentralen Nervensystem stören. Ähnliches können Verletzungen durch Unfälle zur Folge haben.

Anejakulation: Wenn der Orgasmus komplett ohne Ejakulation erfolgt

Bei einer totalen Anejakulation (Impotentia ejaculandi) bleibt der durch rhythmische Muskelkontraktion ausgelöste Samenerguss komplett aus. Das Gefühl eines Höhepunkts muss dabei nicht verloren gehen. Dennoch kann ein Orgasmus ohne Ejakulation das Sexualleben des Mannes sowohl auf körperlicher als auch auf mentaler Ebene erheblich einschränken. Auch den Partner oder die Partnerin kann der ausbleibende Samenerguss beim Liebesspiel verunsichern. Daher zählt man den trockenen Orgasmus zu den sexuellen Funktionsstörungen.

Da bei einer totalen Anejakulation keine Samenflüssigkeit ausgestoßen wird, liegt ein Fehler während der Emissionsphase vor. Ursachen dafür sind zum Beispiel:

  • Verletzungen der Wirbelsäule und eine daraus folgende Schädigung des erregenden Nervensystems (u.a. durch Verkehrsunfälle oder als Folge eines operativen Eingriffes am zentralen Nervensystem)
  • Operationen im Beckenbereich und an der Prostata
  • psychische Erkrankungen
  • hoch belastender Stress
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. chronischer Bluthochdruck)
  • hormonelle Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus)
  • angeborene Störungen im Bereich der Prostata oder der Bläschendrüsen
  • Verschluss oder Verstopfung (Obstruktion) der Samenleiter

Von der Anejakulation und retrograden Ejakulation klar abzugrenzen sind weitere sexuelle Dysfunktionen, wie die Anorgasmie (völliges Ausbleiben eines Orgasmus mitsamt Samenerguss), eine stark verzögerte Ejakulation (Ejaculatio retarda) oder Erektionsprobleme. Auch beim Samenerguss ohne Orgasmus liegt eine andere Funktionsstörung vor, genauso wie beim vorzeitigen Samenerguss.

Diagnose beim trockenen Orgasmus: Was tut der Arzt?

Ein Orgasmus ohne Samenerguss wird in Störungen in der Emissionsphase und in der Ejakulationsphase eingeteilt. Eine Störung während der Emission, also bei der Produktion von Samenflüssigkeit, liegt bei der Anejakulation vor. Hier kommt beim Sex oder bei der Masturbation keinerlei Flüssigkeit aus dem Penis. Bei einer retrograden Ejakulation sprechen Fachmediziner von einem Defekt in der Ejakulationsphase. Das Sperma wird dabei rückwärts in die Blase ausgestoßen, da hier meist der innere Blasenschließmuskel die Harnblase nicht zureichend verschließt.

Klinisch gesehen können beide Ejakulationsstörungen in einem nicht abgeschlossenen oder völlig ausbleibenden Samenerguss während des Orgasmus resultieren. Daher werden zur Diagnose 2 Möglichkeiten herangezogen:

  1. Eine mikroskopische Untersuchung des Urins direkt nach der Masturbation kann dem Urologen sofort den Beweis für eine retrograde Ejakulation liefern. Wenn mehr als 15 Spermien bei 400-facher Vergrößerung vorzufinden sind, gilt das als gesicherte Diagnose.
  2. Fällt die Untersuchung des Harns negativ aus, erhärtet sich der Verdacht auf eine Anejakulation. In diesem Fall kann der Fachmediziner eine transrektale Sonografie durchführen, um angeborene Blockaden (z.B. fehlerhafte Vergrößerungen der Bläschendrüsen), Zysten oder Entzündungen im Samenleiter festzustellen, die möglicherweise Stauungen im Spritzkanal (Ductus deferens) verursachen.

Eventuell werden bei Nervenschädigungen weiterführende neurologische Untersuchungen benötigt. Bei Verdacht auf retrograde Ejakulation gehört dazu eine Untersuchung im MRT. Auch eine Hodensonographie oder eine psychologische Untersuchung können beitragen, die Gründe für eine Ejakulationsstörung aufzuklären.

Wie kann ein Orgasmus ohne Ejakulation behandelt werden?

Während beispielsweise der vorzeitige Samenerguss gut durch Techniken oder auch mit Medikamenten wie Emla® und Priligy® behandelt werden kann, gestaltet sich das beim trockenen Orgasmus schwieriger. So gilt es zunächst, alle psychisch belastenden Gründe nach Möglichkeit zu beseitigen und Medikamente abzusetzen, die die Emissions- oder Ejakulationsphase stören können.

Stellt sich kein Erfolg ein, kann aber auch hier eine medikamentöse Behandlung erfolgen. Sowohl bei der retrograden Ejakulation als auch bei Anejakulation greift der Fachmediziner zu speziellen Medikamenten (z.B. Sympathomimetika), um eine verbesserte Kontraktion der Samenleiter und des Blasenschließmuskels zu erreichen.

Trockener Orgasmus und Kinderwunsch – was tun?

Steht ein Kinderwunsch im Raum, dann kann ein pathologisch trockener Orgasmus beim Mann die Beziehung durchaus belasten. Es gibt aber Wege, die eine künstliche Befruchtung (assistierte Fertilisation) trotz ausbleibendem Samenerguss beim Mann möglich machen.

So können bei der retrograden Ejakulation Spermien aus dem Urin direkt nach der Masturbation aufbereitet werden, um sie in einer assistierten Fertilisation zu verwenden. Je nach Schwere der Symptomatik kommt als Behandlung auch eine Vibrostimulation des Penis infrage: Ein spezifischer vibrierender Aufsatz führt einen Orgasmus herbei, ohne dass eine Erektion vorliegt. Im Anschluss lassen sich die Samenzellen aus dem Harn entnehmen und für die künstliche Befruchtung verwenden.

Bei komplettem Ausbleiben des Samenergusses bietet sich die transrektale Elektrostimulation an. Dadurch werden die Nerven der an der Ejakulation beteiligten Muskeln gereizt und „trainiert“. Insbesondere bei Männern mit Querschnittslähmungen und dadurch ausgelöster Anejakulation hat sich diese Therapie bewährt. Ist die rektale Sensorik – also die Gefühlsfähigkeit des Afters – intakt, muss die Elektrostimulation aber unter Narkose durchgeführt werden, da sie der Patient sonst als schmerzhaft empfindet.

Besserer Sex durch trockenen Orgasmus?

In Sexualratgebern wird Männern hin und wieder der Tipp gegeben, sich den Orgasmus ohne Samenerguss anzutrainieren. Denn für die Partnerin oder den Partner kann es angenehm sein und zu einem längeren Liebesspiel führen, wenn der Mann die Ejakulation zurückhält oder deren Austritt verzögert.

Außerdem sollen durch den trockenen Samenerguss auch Männer in den Genuss multipler Orgasmen kommen können, zu denen sonst vor allem Frauen fähig sind. Insbesondere Anhänger der Tantra-Lehre sehen in einem trockenen Orgasmus die Möglichkeit, andere Ebenen von Befriedigung zu erfahren.

Ob das Antrainieren dieser Sexualpraktik wirklich funktioniert, ist wissenschaftlich jedoch umstritten.

Fazit: Trockener Samenerguss – Ursachen immer abklären lassen

Auch wenn ein Orgasmus ohne Ejakulation an sich nicht gefährlich ist, gilt es immer, die Gründe für die Symptomatik ärztlich untersuchen zu lassen. Nur so können Sie ernstzunehmende Ursachen verlässlich ausschließen.

Mediziner gehen bei der Diagnostik in die Tiefe: Sie unterscheiden, ob der Samenerguss gar nicht stattfindet (totale Anejakulation) oder ob die Ejakulation über Umwege in die Blase gelangt (retrograde Ejakulation). Für beide Formen des trockenen Orgasmus gibt es mittlerweile vielfältige medikamentöse und operative Behandlungsmöglichkeiten.

Häufig gestellte Fragen

Muss ich bei trockenem Orgasmus zum Arzt?

Ist die Ursache für einen trockenen Orgasmus beim Mann unbekannt, sollte immer ein Arzt zurate gezogen werden. Denn der Grund für eine ausbleibende Ejakulation kann eine Entzündung, eine Krankheit oder Fehlfunktion sein, die behandelt werden sollte.

Ist trockener Orgasmus heilbar?

Das hängt von den Ursachen ab, die hinter dem Orgasmus ohne Samenerguss stecken. Sowohl bei retrograder Ejakulation als auch bei Anejakulation gibt es medikamentöse Therapien, die Erfolge versprechen. Bei Kinderwunsch können Spermien aus dem Urin oder beispielsweise durch Elektrostimulation extrahiert werden.

Warum habe ich einen trockenen Orgasmus?

Ein trockener Orgasmus hat meistens körperliche oder medizinische Gründe. Dazu gehören eine unzureichende Funktion des Blasenschließmuskels oder bestimmte Medikamente. Männer können sich einen trockenen Orgasmus durch gezieltes Training der Beckenbodenmuskulatur aber auch aneignen.

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Medizinisch geprüft von:
Dr. Nadia Schendzielorz Medizinische Autorin

Dr. Nadia Schendzielorz war von 2016 bis 2020 Apothekerin bei ZAVA und unterstützt das Team nun freiberuflich bei der medizinischen Textprüfung. Sie schloss ihr Studium der Pharmazie an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn ab. Im Anschluss arbeitete sie an ihrer Dissertation an der Universität von Helsinki in Finnland und promovierte erfolgreich im Fachbereich Pharmakologie.

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Letzte Änderung: 24 Mär 2022

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