Die Pillenwirkstoffe Levonorgestrel, Drospirenon und Desogestrel

Dr. med. Ulrike Thieme, Medizinische Leiterin bei ZAVA , Foto rund

Medizinisch geprüft von

Dr. med. Ulrike Thieme

Letzte Änderung: 05 Mai 2019

Wie unterscheiden sich die Gestagene?

Inhalt
Eine Frau hält verschiedene Verhütungspillen mit unterschiedlichen Wirkstoffen (Levonorgestrel, Drospirenon und Desogestrel) in der Hand.
 

Zur Schwangerschaftsverhütung gibt es seit vielen Jahren zahlreiche verschiedene Antibabypillen. Die meisten dieser sogenannten Kontrazeptiva wirken unter anderem ovulationshemmend, unterbinden also den Eisprung. Generell unterscheiden sie sich in ihrer Wirkstoff-Zusammensetzung, Dosierung und Wirkweise. Für jede Frau kann daher das passende Präparat mit den passenden Eigenschaften ausgewählt werden.

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Was sind Levonorgestrel, Drospirenon und Desogestrel?

Man unterscheidet zwei Arten von Antibabypillen: Kombinationspräparate und Monopräparate. Kombinationspräparate bestehen aus einer Östrogenkomponente, die die Eireifung und den Eisprung unterbindet, und aus einer Gestagenkomponente. In der Art und Konzentration dieses Gestagens unterscheiden sich die verschiedenen Kombinationspräparate. Gestagene wie Levonorgestrel, Drospirenon und Desogestrel ähneln in ihrer Wirkung dem körpereigenen Gelbkörperhormon Progesteron und werden synthetisch hergestellt. Die Gestagenkomponente ist in der Pille unentbehrlich, denn sie hebt z.B. ein erhöhtes Krebsrisiko der Gebärmutter auf, das durch das Östrogen, falls es ohne Gestagen gegeben wird, verursacht werden kann.

Außerdem sorgen Gestagene dafür, dass die Regelblutung weiterhin auftritt. Bei reiner Östrogen-Verabreichung könnte sie ausfallen und eine Zykluskontrolle wäre nicht mehr möglich. Gestagene wie Levonorgestrel, Drospirenon und Desogestrel beeinflussen zudem die Verträglichkeit der Pille und können bei sehr starken oder schmerzhaften Monatsblutungen helfen.

Monopräparate, besser bekannt als Minipillen, bestehen dagegen nur aus einer Komponente: einem Gestagen. Durch die kontinuierliche Einnahme in täglicher und niedriger Dosis wirkt ein Gestagen alleine ebenfalls schwangerschaftsverhütend.

Wann wurde die Antibabypille entwickelt und mit welcher Resonanz?

Im Jahr 1960 kam in Amerika die erste Antibabypille auf den Markt. Nur ein Jahr später wurde sie auch in Deutschland zugelassen. Zu dieser Zeit war künstliche Empfängnisverhütung noch höchst umstritten und so gab es nach der Einführung der Antibabypille vehementen Widerstand der katholischen Kirche und bis in die 70er Jahre hinein zahlreiche Demonstrationen. Doch das änderte nichts daran, das sich die Pille durchsetzte: Für die Frauen war sie eine Revolution, da sie eine freiere Lebensplanung und sexuelle Selbstbestimmung möglich machte. Heutzutage nehmen weltweit etwa 100 Millionen Frauen die Pille.

Wie kam es überhaupt zur Entwicklung der Antibabypille?

Bereits im Jahr 1919 stellte der Physiologe Ludwig Haberlandt die Hypothese auf, dass dem weiblichen Organismus durch gezielte Hormonverabreichung eine Schwangerschaft vorgetäuscht wird, und somit Empfängnis und Eisprung verhindert werden können. Nach einiger Forschung mit Sexualhormonen konnten amerikanische Forscher zeigen, dass die Injektion von Progesteron bei Hasen den Eisprung verhindert und dadurch eine Schwangerschaft unterbindet.

1951 gelang es Carl Djerassi zum ersten Mal, ein oral wirksames Verhütungsmittel zu synthetisieren. Dabei handelt es sich um Norethisteron, einem Gestagen der ersten Generation.

Die Verwendung von Gestagenen alleine oder als Kombinationspräparat mit Östrogenen basiert jedoch auf der Forschung von Gregory Pincus. Er bekam 1951 den Auftrag, ein in großen Mengen herstellbares und der breiten Masse verfügbares Schwangerschaftsverhütungmittel zu entwickeln, das wie eine Kopfschmerztablette geschluckt wird. Dieser Auftrag kam jedoch nicht von einem Pharma-Unternehmen, sondern von Margaret Sanger, der Gründerin der Planned Parenthood Federation of America. Sanger widmete ihr Leben dem Kampf für Frauenrechte und dem Zugang zu effektiven Verhütungsmethoden. Dieser Auftrag führte 1960 schließlich zur Einführung der ersten Pille in Amerika: Enovid, einem Kombinationspräparat aus dem Östrogen Mestranol und dem Gestagen Norethinodrel.

Der Weg der Forschung nach neuen Pillenwirkstoffen mit verbesserten Eigenschaften

Im Laufe der Jahre entwickelten die Pharmakonzerne weitere Wirkstoffe, z.B. Levonorgestrel oder Drospirenon. Letzteres wurde bereits 1976 zum ersten Mal in einem chemischen Labor synthetisiert. Es sollte jedoch fast 25 Jahre dauern, bis sein pharmakologisches Potenzial erkannt und es als Pillenwirkstoff zum Einsatz gebracht wurde.

Die ersten Pillenzusammensetzungen in den 1960er und 1970er Jahren enthielten hohe Dosen Östrogen und Gestagen, um eine möglichst sichere Verhütung zu gewährleisten. In den 1970er Jahren zeigten epidemiologische Studien jedoch, dass hohe Dosen Östrogen (100-150 µg) zu einem stark erhöhten Thromboserisiko führen, besonders bei Raucherinnen. Aus diesem Grund wurden die Dosen reduziert, sodass Anfang der 1990er Jahre die meisten Pillen nur noch 30-35 µg Östrogen enthielten.

Daneben haben Gestagene einige unerwünschte androgenetische Nebenwirkungen, wie Gewichtserhöhung oder verstärkte Akne. Daher begannen einige Pharma-Unternehmen Gestagene zu entwickeln, die diese unerwünschten Effekte abmildern, während die erwünschten kontrazeptiven Wirkungen erhalten bleiben sollten. Die Anwendung organisch-chemischer Forschungsmethoden führte zu den Verbindungen Desogestrel und Gestoden, die von ihren Vorgänger-Gestagenen abgeleitet wurden. Sie unterscheiden sich in ihrer Wirkungsweise von ihren Vorläufern: Ihre androgenetische Aktivität ist besonders schwach oder bleibt ganz aus. Die Kombinationen aus diesen Gestagenen mit Östrogen bildeten die Verhütungsmittel dritter und vierter Generation.

Wie wirken die Gestagene Levonorgestrel, Drospirenon und Desogestrel genau?

Die Gestagene in Antibabypillen setzen an verschiedenen Stellen der Fortpflanzungsorgane der Frau an.

Die Grafik eine Gebärmutter mit Beschriftung

Levonorgestrel

Dieses Gestagen der zweiten Generation wird schon seit 1966 als Pillenwirkstoff verwendet. In Abhängigkeit von der Dosis unterscheidet sich die Wirkungsweise von Levonorgestrel und es ist damit für verschiedene Anwendungen geeignet.

In geringer Dosierung dient Levonorgestrel der Empfängnisverhütung durch folgende Effekte:

  • Reifung der Eizelle wird gehemmt (in Kombination mit Östrogen)
  • Aufbau der Gebärmutterschleimhaut wird behindert, die Einnistung eines befruchteten Eis dadurch erschwert
  • Sekret des Gebärmutterhalses (Zervixschleim) wird zäher
  • Eindringen der Spermien in die Gebärmutter wird dadurch beträchtlich erschwert.

Der Wirkstoff ist sowohl als Kombinationspräparat mit Östrogen geeignet, als auch in der Minipille als alleiniger Wirkstoff enthalten. Die Minipille mit Levonorgestrel kann auch während der Stillzeit eingenommen werden, da Levonorgestrel die Muttermilch nicht beeinflusst. Solche Pillen werden daher auch als "Stillpille" bezeichnet.

Ein exaktes Einhalten der täglichen Einnahmezeit ist bei der Minipille mit Levonorgestrel besonders wichtig. Wird die Pille 3 oder mehr Stunden verzögert eingenommen, ist der Empfängnisschutz sehr stark beeinträchtigt und kann nicht mehr gewährleistet werden. Der Eisprung wird durch Levonorgestel in geringer Konzentration meist nicht verhindert, was die Sicherheit im Vergleich zu anderen Wirkstoffen etwas herab senkt. Als Minipille wird Levonorgestrel durchgängig eingenommen, es kann daher zu einer Verschiebung der Monatsblutung führen und sie nach einigen Monaten der Einnahme deutlich abschwächen.

In hoher Dosierung wird Levonorgestrel in der Pille-Danach eingesetzt. Sie wird bis zu 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen und kann eine Schwangerschaft verhindern. Hier wird der Eisprung durch Levonorgestrel gehemmt und die Einnistung einer befruchteten Eizelle erschwert.

Allgemein ist Levonorgestrel gut verträglich. Es ist dennoch möglich, dass Nebenwirkungen auftreten. Bei der Einnahme als Kontrazeptivum treten häufig Schmierblutungen auf und die Regelmäßigkeit des Menstruationszyklus ist meist beeinträchtigt. Etwas seltener kann es zu Kopfschmerzen, Regelschmerzen, Akne, Übelkeit und Erbrechen, depressiven Verstimmungen oder Brustschmerzen kommen.

Nebenwirkungen der Pille-Danach treten sehr häufig auf und reichen von Kopfschmerzen, Übelkeit, Unterbauchschmerzen bis zu Müdigkeit. Durchfall, Erbrechen, stark verspätete Regelblutung und Schmierblutungen sind häufig. Die Pille-Danach sollte nur im Notfall eingenommen werden und ist weniger zuverlässig als die regelmäßige Einnahme von Kontrazeptiva.

Desogestrel

Desogestrel ist ein Gestagen der dritten Generation und sowohl als Minipille, als auch in Kombination mit Östrogen als Kombinationspräparat erhältlich.

Die kontrazeptive Wirkung von Desogestrel beruht auf folgenden Effekten:

  • Hemmung des Eisprungs
  • Verdickung des Gebärmutterhalssekrets
  • Blockade des Wegs in die Gebärmutter für Spermien

Als Minipille hat Desogestrel einige Vorteile gegenüber der Minipille mit Levonorgestrel: Die Einnahme kann mit Verzögerungen von bis zu 12 Stunden vom eigentlichen Einnahmezeitpunkt stattfinden, wobei immer noch Verhütungsschutz besteht. Zudem ist die kontrazeptive Sicherheit erhöht, da der Eisprung unterbunden wird. Auch hier ist die Einnahme während der Stillzeit möglich, da nur sehr geringe Mengen eines Abbauprodukts des Desogestrel in die Muttermilch übergehen.

Allgemein sind die Nebenwirkungen von Desogestrel in der Minipille durch die niedrige Konzentration gering. Besonders zu Beginn der Einnahme kommt es oft jedoch zu einem unregelmäßigen Zyklus. In manchen Fällen bleibt die Menstruation aus und es können Akne, Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Übelkeit oder verminderte Libido auftreten.

Drospirenon

Als Gestagen der vierten Generation wurde Drospirenon im Kombinationspäparat “Yasmin” im Jahr 2000 auf den Markt gebracht. In Verbindung mit dem Östrogen Ethinylestradiol hat es empfängnisverhütende Wirkung:

  • Hemmung der Ovulation
  • Veränderung des Gebärmuttersekrets
  • Eintreten für Spermien in die Gebärmutter ist erschwert
  • Erschwerte Bedingungen für das Ei, sich in die Gebärmutterschleimhaut einzunisten

Darüber hinaus hat Drospirenon antimineralcorticoide Eigenschaften: Es fördert die Ausschüttung von Natrium und Wasser und wirkt dadurch möglichen Wassereinlagerungen und Gewichtszunahme entgegen, die durch die Östrogenkomponente in der Pille verursacht werden. Zudem wirkt Drospirenon in der Haut antiandrogen, was zu einer Reduktion von Talg und Akne führen kann.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Brustspannen, depressive Gemütszustände, Übelkeit, Hautausschläge, Gewichtszunahme und Kopfschmerzen.

Ist das Thromboserisiko durch die Pille stark erhöht?

Durch den verringerten Östrogen-Gehalt ist heutzutage das enthaltene Gestagen im Kombinationspräparat für Unterschiede im Thromboserisiko hauptsächlich verantwortlich.

Prinzipiell erhöht jede kombinierte Antibabypille das Thromboserisiko. Frauen die eine kombinierte Verhütungspille einnehmen, haben ein erhöhtes Thromboserisiko gegenüber Frauen, die keine Pille einnehmen. Das Thromboserisiko steigt weiter an, wenn zusätzlich ein positiver Raucherstatus vorliegt.

Jedoch gibt es Unterschiede in der Risikoerhöhung für eine Thrombose (TVT) oder Lungenembolie (LE), je nachdem, welches Gestagen in der eingenommenen Pille enthalten ist. In Zahlen bedeutet dies: Von 10.000 Frauen, die keine Verhütungspille einnehmen, erleiden 2 innerhalb eines Jahres eine Thrombose oder Lungenembolie. Von 10.000 Frauen, die Pillen der zweiten Generation (mit Levonorgestrel) einnehmen, bekommen innerhalb eines Jahres 5 bis 7 Frauen eine TVT oder LE.

Drospirenon-haltige Verhütungspillen bewirken im Vergleich zu Verhütungspillen der sogenannten „zweiten Generation“ mit z.B. Levonorgestrel als gestagene Komponente eine bis zu dreifache Risikoerhöhung für ein thrombotisches Ereignis: Bei Drospirenon-haltigen Pillen liegt die Zahl der Thrombosen bzw. Lungenembolien bei 10 bis 15 pro Jahr pro 10.000 Frauen.

Für Pillen mit dem Wirkstoff Desogestrel als Gestagen gilt, dass das Risiko etwa 1,5 mal höher ist, als unter der Einnahme einer Pille, die Levonorgestrel als gestagene Komponente enthält. In Zahlen übersetzt bedeutet dies, dass unter einer Desogestrel-haltigen Pille 9 bis 12 von 10.000 Frauen innerhalb eines Jahres eine Thrombose oder Lungenembolie bekommen.

Aus diesem Grund wird empfohlen, dass – wenn aufgrund der Nebenwirkungen und individuellen Bedürfnissen der Patientin möglich – zunächst ein Levonorgestrel-haltiges Präparat verschrieben wird, wenn die Einnahme einer kombinierten Antibabypille erfolgen soll.

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Dr. med. Ulrike Thieme Fachärztin für Neurologie, Medizinische Leiterin

Dr. med. Ulrike Thieme ist Medizinische Leiterin bei ZAVA und seit 2018 Teil des Ärzteteams. Ihre Facharztweiterbildung im Bereich Neurologie schloss sie 2018 ab. Vor ihrer Tätigkeit bei ZAVA arbeitete Dr. med. Ulrike Thieme an einem klinischen Forschungsprojekt über neurodegenerative Erkrankungen am National Hospital for Neurology and Neurosurgery, London.

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