Migräne bei Kindern
Medizinisch geprüft von
Dr. Nadia SchendzielorzLetzte Änderung: 02 Juli 2020
In Deutschland tritt Migräne bei ungefähr 10 % aller Kinder auf. In 70 bis 90 % der Migränefälle bei Kindern besteht eine familiäre Vorbelastung. Für Kinder kann eine Migräne sehr belastend sein. Neben körperlichen Ursachen kann eine Migräne bei Kindern und Jugendlichen auch auf psychische Belastungen wie Stress in der Schule oder Konflikte mit Gleichaltrigen hindeuten.
Wie äußert sich eine Migräne bei Kindern?
Migräne kann sich bei Kindern anders äußern als bei Erwachsenen. Die Kopfschmerzen treten in bis zu 80 % der Fälle beidseitig auf und halten 1 bis 72 Stunden an. Sie sind wie bei Erwachsenen pulsierend, stark und verstärken sich bei körperlicher Belastung. Gleichzeitig mit den Kopfschmerzen muss entweder Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu oder Lärmempfindlichkeit vorliegen.
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Weitere typische Begleitsymptome während einer Migräneattacke sind bei Kindern:
- beschleunigter Herzschlag (Tachykardie)
- Blässe
- Schweißausbrüche
- Kältegefühl und Zittern
- Gesichtsrötung
- verstärkter Harndrang und Durchfall
- tränende Augen
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Auch bei Kindern können Vorläufersymptome vorkommen, insbesondere: Reizbarkeit und Stimmungsveränderungen, Abgeschlagenheit und häufiges Gähnen, innere Unruhe und Heißhunger.
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Eine Aura kommt bei Kindern in 20 % der Migränefälle vor. Die Aura bleibt bis zu einer Stunde bestehen, die Kopfschmerzen beginnen danach innerhalb einer weiteren Stunde. Dabei können prinzipiell dieselben Aurasymptome wie bei Erwachsenen auftreten, also vor allem:
- Sehstörungen wie Flimmern, Flackern, Lichtblitze und blinde Flecken im Gesichtsfeld
- Missempfindungen
- Sprachstörungen
Seltene Sonderformen der Migräne mit Aura können mit folgenden Aurasymptomen einhergehen:
- Schwindel, Hörstörungen und Ohrgeräusche (Tinnitus)
- Doppelbilder
- Gangstörungen, akute Muskelschwäche oder halbseitige Lähmungen
- Verwirrtheit, Orientierungslosigkeit, Gedächtnisstörungen oder Starre des Körpers (Stupor)
Eine Migräne ohne Kopfschmerzen, aber mit Aurasymptomen (Migraine sans migraine) kann in seltenen Fällen ebenfalls vorkommen.
Diagnose
Die Diagnose einer Migräne ist besonders bei Kindern im Grundschulalter erschwert, weil diese ihre Schmerzen und Begleitsymptome nicht adäquat beschreiben oder einordnen können. Teilweise erscheinen die Kinder aufgrund der starken Schmerzen einfach nur gereizt oder aggressiv, ohne dass sie über weitere Symptome klagen. Ein gehäuftes Vorkommen von Migräne in der Familie kann ein Hinweis auf Migräne bei Kindern sein.
Ursachen
Obwohl die Entstehung von Migräne noch nicht vollständig geklärt ist, sind einige Auslöser von Migräneattacken bekannt.
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Starke körperliche Erschöpfung kann Migräneattacken auslösen, besonders wenn das betroffene Kind zu wenig getrunken hat. Körperliche Anstrengung ist aber nicht generell schlecht bei Migräne. Regelmäßiger Ausdauersport in den Zeiträumen zwischen Migräneattacken hat eine vorbeugende Wirkung, wenn nicht bis in den Bereich starker Erschöpfung trainiert wird.
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Ein regelmäßiger Schlafrhythmus ist wichtig, um Migräne vorzubeugen. Wechselnde Einschlafzeiten und kurze Schlafdauern von weniger als 6-8 Stunden bedeuten Stress für den Körper und sind ein Risikofaktor für Migräne. Wahrscheinlich wird durch zu wenig Schlaf die Erregbarkeit von Nervenzellen verändert, sodass eine Migräneattacke leichter ausgelöst wird.
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Abrupte Wetterumschwünge oder extreme Wetterlagen können zu Stress für den Körper führen und dadurch Migräne hervorrufen. Der Einfluss von Wetter auf die Migräneanfälligkeit ist jedoch von Patient zu Patient sehr unterschiedlich.
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Seelische Belastungen sind ein Risikofaktor für Migräne und können Migräneattacken provozieren. Jugendliche, aber auch kleinere Kinder, sind häufig psychischen Belastungen durch ihre charakterliche Entwicklung, die Schule, Konflikte innerhalb der Familie oder Gleichaltrigen ausgesetzt. Nicht jede psychische Belastung führt zu Migräne und umgekehrt ist auch nicht jede Migräne auf seelische Probleme zurückzuführen. Falls Sie allerdings glauben, dass die Migräne Ihres Kindes durch seelische Belastung hervorgerufen wird, kann ein Termin beim Kinderarzt oder Hausarzt Klarheit bringen. Der Arzt kann die Umstände oftmals objektiver einschätzen als die beteiligten Personen und Sie außerdem zu weiteren Spezialisten überweisen, falls nötig.
Keine medikamentöse Selbstbehandlung
Geben Sie Ihren Kindern bei Kopfschmerzen nie auf eigene Faust Medikamente. Migräne bei Kindern muss zuallererst ärztlich abgeklärt werden, und auch die Behandlung von Migräneattacken sollte nur in Absprache mit dem Arzt erfolgen. Die meisten Medikamente wurden für den Einsatz bei Erwachsenen entwickelt und dürfen bei Kindern entweder nur in reduzierter Dosierung oder gar nicht angewendet werden. Beispielsweise ist die Gabe von Aspirin (Acetylsalicylsäure) bei Kindern unter 15 Jahren lebensgefährlich. Es kann dabei zur Schädigung von Gehirn und Leber (Reye-Syndrom) kommen, das zu 50 Prozent tödlich verläuft.
Dr. Nadia Schendzielorz war von 2016 bis 2020 Apothekerin bei ZAVA und unterstützt das Team nun freiberuflich bei der medizinischen Textprüfung. Sie schloss ihr Studium der Pharmazie an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn ab. Im Anschluss arbeitete sie an ihrer Dissertation an der Universität von Helsinki in Finnland und promovierte erfolgreich im Fachbereich Pharmakologie.
Lernen Sie unsere Ärzte kennenLetzte Änderung: 02 Juli 2020
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Baron, R., Koppert, W., Strumpf, M., & Willweber-Strumpf, A. (2019). Praktische Schmerzmedizin. Springer Berlin Heidelberg.
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Göbel, H. (2012). Die Kopfschmerzen. Springer Berlin Heidelberg.
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Straube, A., & Ruscheweyh, R. (2019). Epidemiologie von Kopfschmerzen über die Lebensspanne. Nervenheilkunde, 38(10), 735-739, online: https://www.springermedizin.de/kopfschmerz-und-migraene-in-der-paediatrie/kopf--und-gesichtsschmerz/multimodale-programme-und-neue-therapien-gegen-den-kopfschmerz/17459560, abgerufen am 05.05.2020.
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Ramachandran, R. (2018, May). Neurogenic inflammation and its role in migraine. In Seminars in immunopathology (Vol. 40, No. 3, pp. 301-314). Springer Berlin Heidelberg, online: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29568973/, abgerufen am 12.06.2020.
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