Calciumantagonisten
Medizinisch geprüft von
Dr. Nadia SchendzielorzLetzte Änderung: 12 Apr 2019
Medikamente gegen Bluthochdruck und andere Krankheiten
Calciumantagonisten, auch Calcium-Kanalblocker genannt, sind Substanzen, die den Calcium-Einstrom in die Zellen hemmen. Das Calcium hat eine wichtige Signalfunktion für verschiedene Systeme im Körper. Nicht nur bei der Regulation des Blutdrucks, auch bei der Erregung und anschließenden Kontraktion des Herzens spielt Calcium eine wichtige Rolle. Dementsprechend vielseitig können Calciumantagonisten eingesetzt werden – sie helfen unter anderem dabei, den Blutdruck zu senken und eine koronare Herzkrankheit zu verbessern.
Was macht Calcium in unserem Körper?
Calcium ist ein bekannter Nährstoff, der aufgrund seiner zahlreichen Funktionen lebenswichtig ist. Calciummangel kann deshalb lebensbedrohlich sein und macht sich in vielen Systemen bemerkbar. Besonders bekannt ist Calcium für seine Rolle im Knochenstoffwechsel. Wer zu wenig Calcium zu sich nimmt, erhöht sein Osteoporose-Risiko. Weniger bekannt, aber ebenso wichtig ist Calcium als Botenstoff – das heißt, es vermittelt verschiedene Informationen zwischen den Körperzellen. Das Calcium ist dabei als Ion in jeder Zelle gespeichert und kann durch verschiedene Stimuli freigesetzt werden. Dann löst es verschiedene chemische Reaktionen in anderen Zellen aus, wobei zum Teil sehr komplizierte Signalwege ablaufen. Besonders wichtig sind hierbei Kanäle in den Membranen, die die einzelnen Körperzellen voneinander abgrenzen. Diese Kanäle sorgen für eine geregelte Verteilung der verschiedenen im Körper vorhandenen Ionen. Calcium gelangt also durch verschiedene Kanäle in die Zellen oder auch aus den Zellen hinaus, je nachdem, wo es gerade im Stoffwechsel benötigt wird.
Welche Aufgabe übernimmt Calcium im Herz und den Blutgefäßen?
Diese Kanäle sind besonders in den Blutgefäßen und dem Herz von großer Bedeutung: Wenn Calcium durch seinen Kanal – den sogenannten Dihydropyridin-Rezeptor – aus dem Speicher der Zelle einer Arterie freigesetzt wird, löst es eine Kette von Reaktionen aus. Diese führt letztendlich dazu, dass die Arterie enger wird und somit der Widerstand steigt, den das durchfließende Blut überwinden muss. Das Blut muss nun mit einem höheren Druck durch die engeren Arterien gepresst werden, um den Körper ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen – der Blutdruck steigt.
Dies ist zunächst eine gewünschte Reaktion, da der Körper in verschiedenen Situationen den Blutdruck individuell anpassen muss. Chronisch ist jedoch ein Bluthochdruck gefährlich und sollte behandelt werden. Im Herz gibt es ebenfalls Calcium-Kanäle auf den Zellen. Dort sorgt das einströmende Calcium für eine stärkere Kontraktion des Herzens, beispielsweise bei sportlicher Betätigung. Dadurch steigt der Sauerstoffverbrauch des Herzens, da der Herzmuskel wie jeder andere Muskel für eine Kontraktion Sauerstoff benötigt. Außerdem fördert es die Erregungsleitung im Herzen, je schneller das Calcium in die Zellen gelangt, desto schneller kommt es zum Schlag – der Puls steigt. Im Sinusknoten, wo die Erregung des Herzens entsteht, ist Calcium der Auslöser für die Erregungsbildung und beeinflusst dadurch den Herzrhythmus. Ähnlich gilt dies auch für die Zellen der Muskulatur – auch hier kommt es über Calcium-Einstrom zu einer Muskelkontraktion.
Wie wirken Calciumantagonisten?
Calciumantagonisten oder auch Calcium-Kanalblocker sind die Gegenspieler des Calciums. Sie blockieren den Calcium-Kanal und sorgen so dafür, dass das Calcium nicht in die Zellen einströmen kann und dort seine Reaktionskette nicht ausgelöst wird. In den Arterien wirken die Antagonisten also auf die Gefäßweite – wenn die Calcium-Kanäle blockiert sind, ziehen sich die Zellen der Gefäße nicht mehr zusammen. Dadurch bleiben die Arterien weit gestellt und der Blutdruck steigt nicht an. Im Herzen wirken Calciumantagonisten sowohl auf die Stärke der Kontraktion als auch auf die Schnelligkeit des Herzschlags: Wenn die Calcium-Kanäle des Herzens blockiert werden und der Calcium-Einstrom verringert wird, kann die Herzmuskulatur nicht mehr so stark kontrahieren. Dies führt dazu, dass mit jedem Herzschlag weniger Blut aus dem Herz in die Hauptschlagader gelangt. Der Herzmuskel verbraucht somit weniger Sauerstoff.
Außerdem ist die Erregungsleitung, die über Calcium vermittelt wird, verlangsamt. Dadurch kommt es zu einer Verlangsamung des Pulses. Viele Calciumantagonisten wirken außerdem auf die Erregungsbildung im Sinusknoten des Herzens, der den Rhythmus des Herzschlags vorgibt. Sie können also Herzrhythmusstörungen verbessern. Auch die Herzkranzgefäße – die Gefäße, die den Herzmuskel mit Blut versorgen – bestehen aus Gefäßzellen, die den Calcium-Kanal enthalten. Sie sind somit ebenfalls ein Zielort für Calcium-Kanalblocker, die hier eine Erweiterung der Gefäße bewirken. Die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Herzens wird also verbessert.
Welche Calciumantagonisten gibt es?
Die wichtigsten Calcium-Kanalblocker sind Verapamil und Gallopamil. Diese sind die sogenannten Phenylalkylaminderivate und haben alle ähnliche (Neben-)Wirkungen. Mit ähnlichen Wirkungen, aber aus Benzothiazepinen hergestellt, ist das Diltiazem. Diese Stoffe wirken sowohl in den Arterien als auch im Herz. Sie zählen somit zu den Blutdrucksenkern. Ebenso können sie Herzrhythmusstörungen verbessern. Weiterhin gibt es das Nifedipin, ein Dihydropyridin, das hauptsächlich auf die Arterien wirkt und nur bei sehr hoher Dosierung im Herzen.
Welche Indikationen gibt es für die Einnahme von Calciumantagonisten?
Die klassische Anwendung von Calciumantagonisten erfolgt bei Bluthochdruck. Die sogenannte arterielle Hypertonie kann durch die Einnahme verbessert werden. Durch die Erweiterung der Arterien werden die Gefäßwände nicht mehr so stark belastet, was zu einer Verringerung verschiedener Risiken führt: Die Gefäßwände verkalken weniger, wodurch auch die Gefahr von Thrombosen, Schlaganfällen und Herzinfarkten sinkt. Auch bei den sogenannten supraventrikulären Tachykardien wie Vorhofflimmern und –flattern, kommen Calciumantagonisten zum Einsatz: Tachykardie, also eine erhöhte Pulsfrequenz, die vom Sinusknoten des Herzens ausgeht, wird durch Calciumantagonisten vermindert. Hier muss die Einnahme allerdings genau überwacht und angepasst werden, da es sonst zu schweren Nebenwirkungen kommen kann. Eine weitere Indikation ist das Gefühl von Enge in der Brust, auch Angina pectoris genannt. Das stechende Gefühl entsteht durch Sauerstoffmangel im Herz, vor allem bei der koronaren Herzkrankheit (KHK). Da Calciumantagonisten den Sauerstoffverbrauch des Herzens senken, verbessern sie das Engegefühl und das Ziehen, das bei Sauerstoffmangel auftreten würde. Die koronare Herzkrankheit als Erkrankung der Koronar- oder auch Herzkranzgefäße wird durch Calciumantagonisten ebenfalls verbessert: Diese erweitern die Gefäße und verbessern somit die Blutversorgung des Herzens, um dessen Sauerstoff- und Nährstoffbedarf zu decken. Dazu wird durch die Gefäßweitstellung das mit einer koronaren Herzkrankheit einhergehende Herzinfarktrisiko vermindert.
Welche Nebenwirkungen haben Calciumantagonisten?
Eine typische unerwünschte Arzneimittelwirkung der Calciumantagonisten ist ein zu starker Abfall des Blutdrucks, der deshalb unbedingt im Verlauf regelmäßig kontrolliert werden muss. Damit einhergehend oder auch allein auftretend, leiden manche Patienten unter der „Flush“-Symptomatik: Durch die Erweiterung der Blutgefäße kommt es zu einer Rötung im Gesicht, oft in Kombination mit Wärmegefühl. Auch Kopfschmerzen und starkes Herzklopfen können Folge einer übermäßigen Gefäßerweiterung sein. Es kommt je nach Art des Calcium-Kanalblockers zu unterschiedlichen Wirkungen auf den Puls – bei der Einnahme von stark wirksamen Stoffen (Verapamil, Diltiazem) wird der Herzschlag oft deutlich verlangsamt, während bei schwach wirksamen (Nifedipin) der Puls reflexartig in die Höhe gehen kann.
Manche Patienten bekommen Ödeme, also Wassereinlagerungen im Bereich der Unterschenkel und Knöchel. Auch diese entstehen durch die Erweiterung der Blutgefäße. Wenn sie auftreten, muss je nach Leidensdruck über eine andere Therapie nachgedacht werden.
Durch einen starken Blutdruckabfall kann es zu einer verminderten Durchblutung des Herzens kommen, was wiederum zu einem Engegefühl in der Brust führt. Die Symptomatik der KHK kann somit verschlimmert werden und das Risiko eines Herzinfarkts steigt. Verapamil kann als einziger der Stoffe außerdem zu Verstopfung führen, was mit geeigneter Ernährung und anderen verdauungsfördernden Präparaten aber meist ausgeglichen wird.
Wann sollten Calciumantagonisten nicht eingenommen werden?
Calciumantagonisten dürfen wegen ihrer Puls-verlangsamenden Wirkung sowie der Verringerung der Kontraktionskraft des Herzens nicht bei Herzinsuffizienz eingenommen werden. Auch andere Herzkrankheiten wie das „Sick-Sinus-Syndrom“ oder ein AV-Block II. und III. Grades stellen eine Kontraindikation für Verapamil und Diltiazem dar, da diese beiden sehr stark im Herz wirken. Das Nifedipin kann zur Blutdrucksenkung dennoch eingesetzt werden, was der Arzt individuell je nach Risiko entscheidet.
Nach einem akuten Herzinfarkt sollte auf Calcium-Kanalblocker ebenfalls verzichtet werden, da diese die Regeneration verschlechtern. Zuletzt sollten in Schwangerschaft und Stillzeit keine Calciumantagonisten eingenommen werden. Wie viele andere Medikamente wirken diese teratogen und embryotoxisch, sie können also dem Ungeborenen oder Säugling schaden.
Dr. Nadia Schendzielorz war von 2016 bis 2020 Apothekerin bei ZAVA und unterstützt das Team nun freiberuflich bei der medizinischen Textprüfung. Sie schloss ihr Studium der Pharmazie an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn ab. Im Anschluss arbeitete sie an ihrer Dissertation an der Universität von Helsinki in Finnland und promovierte erfolgreich im Fachbereich Pharmakologie.
Lernen Sie unsere Ärzte kennenLetzte Änderung: 12 Apr 2019
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Pharmakologie und Toxikologie, Thieme Verlag, 2011, K.-H. Graefe, W. Lutz, H. Bönisch (S. 144ff., 504ff.)
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Klinische Pharmakologie, Thieme Verlag, 2011, M. Wehling (Hrsg.) (S. 56ff., 77ff., 93f., 659)
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Physiologie, Thieme Verlag, 6. Auflage 2011, H.-C. Pape, A. Kurtz, S. Silbernagl (S. 42f., 72f., 133ff.)
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Studie (aus dem „Journal of the American Medical Association“): A Calcium Antagonist vs a Non–Calcium Antagonist Hypertension Treatment Strategy for Patients With Coronary Artery Disease; veröffentlicht 3.12.03, Autoren Carl J. Pepine, MD; Eileen M. Handberg, PhD; Rhonda M. Cooper-DeHoff, PharmD u.a.
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Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, De Gruyter Verlag, 260. Auflage 2004 – „Calcium-Antagonisten“