Herzinfarkt und erektile Dysfunktion
Medizinisch geprüft von
Dr. med. Emily WimmerLetzte Änderung: 22 Nov 2018
Was verbindet die beiden Erkrankungen?
Männer, die an erektiler Dysfunktion leiden, machen sich häufig Gedanken um ihren Gesundheitszustand. Auch Berichte über mögliche Risiken eines Herzinfarkts durch die medikamentöse Behandlung von Erektionsstörungen verunsichern viele Patienten. ZAVA erklärt, inwieweit Herzinfarkte und Erektionsstörungen zusammenhängen und was zu beachten ist.
Welche Ursachen haben Herzinfarkte und erektile Dysfunktion?
Sowohl Herzinfarkte als auch Erektionsstörungen betreffen zumeist Männer im fortgeschrittenen Alter. Beim Herzinfarkt handelt es sich um eine Gefäßerkrankung, bei der ein Blutgefäß, das einen Teil des Herzmuskels mit Blut versorgt (Herzkranzgefäß), plötzlich durch ein Gerinnsel verschlossen wird. Solche Gerinnsel entstehen in der Mehrzahl der Fälle durch Atherosklerose, also Fettablagerungen in den Blutgefäßen, und führen unbehandelt zum Absterben eines Teils des Herzmuskels.
Auch Erektionsstörungen treten oftmals als Folge von Gefäßschädigungen auf. Dadurch wird der Bluteinstrom in den Penis behindert und eine Erektion erschwert. Daneben können Erektionsstörungen aber auch durch andere Ursachen wie Nervenschädigungen oder psychologische Belastungen hervorgerufen werden.
Können erektile Dysfunktion und Herzinfarkt gemeinsam betrachtet werden?
Sofern Erektionsstörungen durch ein konkretes Ereignis wie eine Prostata-Operation oder Probleme in der Partnerschaft hervorgerufen werden, kann man sie nicht mit möglichen Herzinfarkten in Verbindung bringen. In solchen Fällen zeigt erektile Dysfunktion demnach auch kein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte an. Bei Erektionsstörungen, die durch alters-, ernährungs- oder lebensstilbedingte Gefäßschädigungen auftreten, existiert jedoch ein Zusammenhang mit Herzinfarkten. Schäden an den Gefäßen treten normalerweise im gesamten Körper gleichmäßig auf. Sind diese Schädigungen ausreichend, um Erektionsstörungen zu erzeugen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass auch andere Gefäße wie die Herzkranzgefäße betroffen sind.
Ist das Auftreten von Erektionsstörungen ein Vorbote von Herzbeschwerden?
Es existiert eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien, die den Zusammenhang zwischen Gefäßschäden, Herzinfarkt und erektiler Dysfunktion untersucht haben. In der Gesamtschau lässt sich festhalten, dass bei vielen Studien Erektionsstörungen tatsächlich ein Frühwarnsymptom für mögliche Herzinfarkte und andere verwandte Erkrankungen darstellten. Ein sogenanntes kardiovaskuläres Ereignis, wozu auch Herzinfarkte gezählt werden, trat Durchschnitt zwei bis fünf Jahre nach dem ersten Auftreten der erektilen Dysfunktion auf. Erektionsstörungen und Herzinfarkte sollten daher nicht isoliert voneinander betrachtet, sondern vielmehr als zwei Ausprägungen derselben Grunderkrankung, nämlich krankhafte Veränderungen an den Blutgefäßen, angesehen werden. Es muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass diese Zusammenhänge nur für Erektionsstörungen gelten, die durch Schäden an den Blutgefäßen hervorgerufen werden.
Hilft die Behandlung von Erektionsstörungen auch gegen das Auftreten von Herzinfarkten?
Die medikamentöse Behandlung von Erektionsstörungen beruht meist auf sogenannten PDE5-Hemmern wie Viagra®, Spedra® oder Cialis®. Diese Medikamente erweitern die zuführenden Blutgefäße des Penis und sorgen somit für eine bessere Durchblutung wodurch eine Erektion erleichtert wird. Obwohl das Zielmolekül dieser Medikamente, Phosphodiesterase-5, am Herzen in deutlich geringeren Mengen vorkommt, gab es in einigen großen Studien Hinweise auf eine Reduktion des Risikos für Herzinfarkte. Das Risiko, an einer Herz-Kreislauferkrankung zu sterben, konnte durch die Behandlung der erektilen Dysfunktion bei betroffenen Männern sogar um bis zu 30 Prozent reduziert werden. Eine Behandlung der erektilen Dysfunktion kann also neben der Wiederherstellung eines erfüllten Sexuallebens auch eine schützende Funktion für das Herz-Kreislauf-System haben. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Männer ohne erektile Dysfunktion ebenfalls von der Einnahme von PDE5-Hemmern profitieren. Die Anwendung von PDE5-Hemmern sollte immer nur begründet und nach ärztlicher Rücksprache erfolgen.
Ist die Einnahme von PDE5-Hemmern gefährlich für Patienten mit Herzbeschwerden?
Insbesondere in der Anfangszeit der PDE5-Hemmer, allen voran Viagra®, wurde vor den Gefahren für Männer mit Herzerkrankungen gewarnt. In der Tat sollte die Anwendung und vor allem die Erstverschreibung nur nach einem ausführlichen ärztlichen Beratungsgespräch erfolgen, in dessen Rahmen alle Vorerkrankungen und sonstigen regelmäßig einzunehmenden Medikamente thematisiert und eingehend besprochen werden. Nur so lässt sich ein Risiko für schwere Nebenwirkungen, beispielsweise durch Wechselwirkung der PDE5-Hemmer mit anderen Medikamenten, ausschließen. Patienten, die vor kurzem ein schweres kardiovaskuläres Ereignis wie Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten, dürfen PDE5-Hemmer erst nach einer Übergangszeit und ärztlicher Rücksprache wieder einnehmen. Zudem sollte stets bedacht werden, dass sexuelle Aktivität auch eine körperliche Anstrengung darstellt und somit schon von sich aus eine Belastung für das Herz sein kann. Die Einnahme von PDE5-Hemmern für sich genommen steigert allerdings nicht das Risiko für Herzinfarkte.
Sollte man beim Auftreten von Erektionsstörungen etwas für seine Herzgesundheit tun?
Männer, bei denen gefäßbedingte Erektionsstörungen auftreten, haben ein bis zu 2,5-fach so hohes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, wie Männer ohne Erektionsstörungen. Abgesehen davon besitzen Männer mit erektiler Dysfunktion mitunter noch zusätzliche Risikofaktoren wie Übergewicht, Diabetes mellitus, Tabakkonsum, metabolisches Syndrom, häufiger Stress und einseitige Ernährung. Daher sollte beim Auftreten von Erektionsstörungen mit dem behandelnden Arzt ein Gesamtkonzept zur kardiovaskulären Vorsorge besprochen werden. In der Regel bietet sich regelmäßiges Ausdauertraining, beispielsweise Laufen, Radfahren oder Schwimmen, als vorbeugende Maßnahme an. Zudem sollte auf ausgewogene Ernährung mit geringen Anteilen an gesättigten Fettsäuren geachtet werden. Alle Maßnahmen sollten jedoch individuell zusammen mit einem Arzt ausgearbeitet werden, um Vorerkrankungen und dem persönlichen Leistungsniveau adäquat Rechnung zu tragen.
Was ist zu tun, wenn ein Herzinfarkt auftritt?
Männer, die bei sich typische Symptome eines Herzinfarkts wie Engegefühl in der Brust, Schmerzen im Brustbereich und im linken Arm, Übelkeit, Atemnot oder Todesangst verspüren, sollten sofort den Rettungsdienst oder einen Arzt alarmieren. Je früher eine ärztliche Behandlung des Herzinfarkts erfolgt, desto geringer ist das Risiko für mögliche Spätfolgen. Falls PDE5-Hemmer oder andere Potenzmittel eingenommen werden, muss dem Arzt bzw. den Rettungskräften unbedingt mitgeteilt werden, wann die letzte Einnahme erfolgt ist. Dies ist äußerst wichtig, da die Standardmedikamente, die bei einem Herzinfarkt gegeben werden, mit vielen Potenzmitteln wie beispielsweise PDE5-Hemmern wechselwirken und im schlimmsten Fall zu lebensbedrohlichem Kreislaufversagen führen können. Bei vorangegangener Einnahme von Potenzmitteln wird der Arzt auf andere, kompatible Medikamente zurückgreifen. Außerdem sollten Patienten, die kürzlich Potenzmittel eingenommen haben, bei Verdacht auf Herzinfarkt niemals ohne ärztliche Rücksprache Nitrate oder ähnliche Medikamente einnehmen, da diese ebenfalls zu einem lebensbedrohlichen Kreislaufkollaps führen kann.
Dr. med. Emily Wimmer ist seit 2015 eine unserer deutschen Ärzte bei ZAVA. 2009 schloss sie ihr Studium der Humanmedizin an der Universität zu Lübeck ab. Danach arbeitete sie in der Abteilung für Hämatologie und Onkologie an der MedUni Wien sowie als Assistenzärztin in Hamburg bzw. Prüfärztin am Hamburger Institut für Versorgungsforschung in Dermatologie. Seit 2020 arbeitet Sie zudem in Teilzeit in einer Hausarztpraxis in Hamburg.
Lernen Sie unsere Ärzte kennenLetzte Änderung: 22 Nov 2018
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